Stimmen und Bilder in Corona-Zeiten

Mitte März habe ich eine kurze E-Mail an langjährige Freundinnen und Freunde sowie an gute Bekannte geschrieben. Inhalt: Gute Wünsche in Corona-Zeiten, v.a. Gesundheit und Zuversicht. Viele Adressaten haben geantwortet. Zu Ostern folgte von mir eine zweite, etwas längere Mail. Man konnte ja bereits "zurückblicken", gegenseitig berichten, beklagen, bestärken. Auch daraufhin gab es Resonanz.

Heute (am 27.4.) habe ich entschieden, diesen Mail-Verkehr zu dokumentieren. Es sind fünfzehn bis zwanzig Briefpartner und Briefpartnerinnen, die hier zu Wort kommen. Meine Mails sind ausgespart. Da Corona uns noch länger beschäftigen wird, kann durchaus mit einer Ergänzung der Dokumentation gerechnet werden. 

Die (gekürzten) Texte illustriere ich mit Fotos, die allesamt in jüngster Zeit in und rund um Wiesbaden geschossen wurden.

Und noch ein Hinweis (und Lerneffekt meinerseits). Wenn in den Mails immer wieder "A." erwähnt wird, dann verrät dies so nebenbei, mit welchem Buchstaben die derzeit beliebtesten Mädchennamen (für Enkelinnen!) beginnen.     

15. bis 20. März

15.3. H. und ich haben natürlich auch schon überlegt, ob wir nicht absagen. Nun seid ihr uns zuvorgekommen. Wir vermeiden im Moment auch alles, was wir vermeiden können, kaufen natürlich noch ein, aber selbst ein MRT, das ich in der übernächsten Woche hätte, steht auf der Kippe. Unser „Vereinsleben“ ruht, Treffen und Veranstaltungen sind abgesagt. (…) Gestern haben meine Kollegin und ich eine ganze Fortbildungswoche abgesagt… 9000 Euro Verlust. Wir haben aber im Vorfeld von fast allen Teilnehmerinnen Mails erhalten, in denen sie uns gebeten haben, abzusagen bei gleichzeitigen Zusagen, dass sie kein Geld zurückhaben wollen. Sehr solidarisch! (…) Im Moment kann ich dem Ganzen noch etwas abgewinnen, weil die Sonne scheint und ich durch die Absage der Fortbildung plötzlich viel Zeit für den Garten habe.

 

17.3. Danke für die moralische Unterstützung! Aber kannst Du mir mal sagen, warum das Klopapier zurzeit das wichtigste Problem der Bevölkerung ist? Das greift ja schon die Nerven an. (…) Wir passen uns an und bereiten unseren Garten auf den Frühling vor. Na ja - ich eher nicht, aber A. hat zu tun. Anderen helfen, wie Du schreibst, ist eher schwierig, weil das Misstrauen gegenüber Außenstehenden wächst. Sogar unsere Nachbarin hat "sich selbst isoliert"! Nur ein Winken über den Zaun und ein Telefonat. Was soll man dazu sagen?

 

18.3. Dann wird aus unsrer Frühjahrswanderung doch eine Herbstwanderung? Wandern ist auf alle Fälle gesund, aber ich rechne in den nächsten Tagen mit Ausgangssperren o.ä. Und im Moment wäre die An- und Abreise für uns Rheinländer nicht so angesagt – wenn wir dem Wort der Kanzlerin folgen wollen. Schau‘n wir mal, wie die Lage nach Ostern aussehen wird. Ob das ruhende öffentliche Leben gut für unsere Eintracht ist, weiß ich nicht. (…) Wir sind natürlich sehr traurig, dass unser Osterurlaub in den Schweizer Bergen rigoros ausfällt. Aber das sind wirklich Luxusprobleme. Wir nutzen hier den allfälligen "Stillstand", um alle liegengebliebenen Arbeiten am Haus, im Garten anzugehen. Das ist auch irgendwie befriedigend.

 

18.3. Enkelbesuch habe ich letzte Woche mit einer verdrückten Träne abgesagt. Jetzt wurschtle ich im Garten (welch Privileg) und wir überlegen, wo wir uns zur Ausgangssperre einnisten, S. oder W.? Notfallkoffer ist schon gepackt. Welch unvorstellbare Zeiten und kein Ende in Sicht.

 

19.3. Unsere Kinder kämpfen alle mit. S.s Tagesfördergruppe hat zu, sie arbeitet jetzt wieder im Schichtbetrieb im Heim. Muss sie, steht im Arbeitsvertrag. B. muss in seinem Pharmabetrieb weiter die Qualität sichern, ziemlich allein. Seine Kolleginnen sind ja bei den Kindern zuhause. Und J. kämpft als Notfallarzt und Intensivmediziner an vorderster Front… M. hatte ja gerade Anfang März wieder mit der Arbeit in der Schule angefangen, K. geht seit Oktober tapfer in den Kindergarten. Er hat viel Spaß dabei, genießt die Zeit mit den anderen Kindern und entwickelt sich prima. Ein Sonnenschein... (…) Ich arbeite von zuhause, meide den persönlichen Kontakt mit den Klienten - noch klappt's über Telefongespräche und Mailaustausch. (…) Und zuletzt, ich glaub‘s einfach nicht: unser Hausarzt, einer von zwei im Ort, ist vor anderthalb Wochen noch in Urlaub gefahren. Nach Ischgl! Mitten ins Seuchengebiet!

 

20.3. Ich habe die letzten Tage auch noch genutzt und war noch im Odenwald und Spessart mit dem Motorrad unterwegs, aber sonst haben wir uns doch sehr isoliert. Wir glauben es wird doch noch eine lange Zeit dauern, bis wir uns wiedersehen.

 

21. bis 29. März

21.3. Uns geht´s gut; wir fühlen uns trotz fortgeschrittenen Alters eigentlich nicht sonderlich bedroht. Die letzte Woche war im Süden sehr warm und sonnig; das haben wir ausgenutzt und sind an vier Nachmittagen je 80 km geradelt – ohne Fremdkontakt. Unser geplanter Kalabrien-Radurlaub Ende März findet natürlich nicht statt. Alternativ hatten wir Friaul & Istrien ins Auge gefasst – findet natürlich auch nicht statt. Ab heute null Uhr ist in Bayern Ausgehverbot – halte ich für sinnvoll, weil wir bei unseren Fahrradausflügen immer noch viele Jugendlich beim Fußballspielen, Pulks von Motorradfahrern und voll besetzte Ausflugslokale gesehen haben. Jetzt hoffen wir, dass die Leute vernünftig werden und Fremdkontakte sein lassen. Dann müssten Ende nächster Woche die Neuinfektionen eigentlich zurückgehen.

 

23.3. Auch wir wünschen euch, gut durch diese Zeiten zu kommen und vor allen Dingen, gesund zu bleiben. Uns geht es verhältnismäßig gut, sind zu Hause, genießen das schöne Wetter im Garten und natürlich haben wir auch Hilfe durch K.

 

24.3. Leider mussten wir unseren Thailandurlaub kurzfristig absagen. Schade, sonst wären wir diese Woche in der Sonne. R. ist zu Hause und ich muss schon arbeiten. Auf der Coronavirus-Station. Hoffentlich geht alles gut, und wir überstehen diese besondere Zeit unbeschadet.

 

25.3. Ich glaube, wenn wir uns dieses Jahr noch mal sehen wollen, müssen wir uns was anderes überlegen. Ich glaube Stadion ist out.

 

25.3. Unser Osterurlaub auf Juist ist storniert. Was aus dem jährlichen Familienurlaub in der Toskana wird, steht in den Sternen, ansonsten Radeln und Rotwein wie bei dir. Kein Hund, kein Schreiben. Meine Kneipen fürs Mittagessen sind zu, aber Abholservice geht noch. Klopapier gibt es noch genug.

 

25.3. Bei uns ist es natürlich viel abenteuerlicher. Unser Flug geht am Sonntag, scheint auch stattzufinden. Erst ab 1.4. fliegt Thai Airways nicht mehr. Wir sind gerade am Flughafen Bangkok angekommen. Mit dem Taxi (Bruder unserer Gastgeberin). Ab morgen gilt Ausnahmezustand in Thailand. (…) Morgen schaue ich mal, ob wir früher fliegen können. Aber wahrscheinlich werden wir im Novotel am Flughafen ausharren müssen.Das ist nicht wirklich schlimm; es gibt Wein. Die Auswahl an Nahrungsmitteln ist allerdings begrenzt auf Pizza, Pasta und Caesars Salad, alles andere ist nicht verfügbar. Offenbar gibt es hier schon Probleme mit der Supply Chain. (…) Die weiteren geplanten Urlaube in Portugal und Toscana werden wohl nicht mehr stattfinden.

 

26.3. Ja, das ist schon eine schräge Zeit... Ich bin seit über zwei Wochen in Bayern bei A. Sie hat im Januar einen Job angenommen und sitzt nun an einem kleinen Schreibtisch im Schlafzimmer und arbeitet im Homeoffice. (…) Ich spiele mit dem Kind, was eigentlich großen Spaß macht, aber auch mega anstrengend ist... (…) Wie gut, dass ich jetzt in Rente bin und die Zeit dafür habe. Unterm Strich alles sehr anstrengend, obwohl mir/uns schon klar ist, dass wir auch recht privilegiert sind. (…) Keine Ahnung, wie das Menschen bewältigen, die nicht so komfortabel durch "diese Zeiten" müssen.

 

27.3. Wir halten uns, obwohl die Welt-Entwicklung doch zu einiger Sorge Anlass bietet. (…) S. und ich sind die Woche konsequent geradelt und ich wollte morgen mal eine kleine Runde mit dem reparierten Bike unternehmen. (…) Heute – es ging nicht anders – mit der kleinen A. eine Radtour unternommen, was ihr grossen Spass bereitet hat, singend durch F. (Bruder Jakob, schläfst du noch...), weil die Eltern tatsächlich mal für einige Zeit unabkömmlich waren (…) Gestern hab ich mir noch einen Glenfiddich und zwei Flaschen Roten besorgt, so dass auch auf diesem Gebiet kein akuter Mangel herrscht,.

 

29.3. Wir erfreuen uns noch bester Gesundheit. Das abgeschiedene Leben auf dem Bauernhof hilft da bestimmt auch. Und bei uns im Büro sind wir nur noch zu fünft. Radfahren und Laufen geht zum Glück noch. Aber P. muss auf Karate und Schwimmen verzichten. Und J. fehlt die Schule! Ansonsten kommen die beiden ganz gut zurecht.

2. bis 14. April

2.4. Unser Land ist seit über einer Woche im kompletten Lockdown. Ist sehr gewöhnungsbedürftig, und ich bin froh, dass L. wieder zu uns zurückgezogen ist. Er studiert digital, C. werkelt am Haus rum (…) Wie ich dir beim letzten Mal geschrieben habe, sind meine Touren alle gestrichen worden, aber unsere Regierung ist prompt eingesprungen, und hat unbürokratisch finanzielle Hilfen für Freelancer ausgeteilt, was erstmal tröstlich ist, aber ich befürchte, das dicke Ende kommt. (..) Einkaufen ist zum Stressfaktor geworden. Es gibt lange Schlangen vor den Supermärkten, und einige Artikel sind rationiert. Es fühlt sich sehr nach George Orwell an. Du stehst in der Schlange, zwei Meter hinter deinem Vorgänger, wartest fast eine Stunde, bis du in den Laden gelassen wirst, und weißt dann noch nicht einmal, ob sie den gewünschten Artikel (Mehl oder Zucker) vorrätig haben. (…). Nichts mehr ist normal.

 

4.4. Mir geht es gut, habe genug Interessen, um mir die Zeit zuhause, aber auch bei Spaziergängen alleine schön zu machen. Dennoch – hoffentlich dauert es nicht mehr allzu lange. Aber das wünschen wir uns ja alle.

 

9.4. Hier ist alles in bester Konfusion. Ich arbeite viel am PC und habe auch die Arbeit im Garten nach langer Abstinenz wiederentdeckt. Auch hier verlaufen die Tage einer wie der andere. Je nach abendlichem Weinkonsum komme ich mehr oder weniger früh/spät morgens aus den Federn. Mir fehlen auch die abendlichen Treffen und das Geschwätz mit den Freunden im Gasthaus, allerdings spare ich dabei zurzeit eine Menge Geld. (..) Übrigens, Radrennen im TV fehlt mir auch. Und im Sommer dann: keine Tour de France, Wiesenmarkt? Das wird hart werden. Der Gänsegretelverein hat auch sein Badbrunnenfest an Himmelfahrt abgesagt. Mit dem Wohnmobil können wir auch nicht weg… (…) Einkaufen ist für uns ein Problem. I. sieht nicht mehr viel und braucht mich beim Geld ausgeben. Und ich muss im Supermarkt verdammt aufpassen, da ich mit meiner Lungenerkrankung im vergangenen Jahr definitiv zur Risikogruppe gehöre.

 

11.4. Uns geht es allen gut. Die Isolation stecke ich mal mehr, mal weniger gut weg. Einen Koller habe ich schon hinter mir, kleinere Ausraster folgen je nach innerer Stabilität. Ich vermisse T. & Family sehr, produziere täglich einen Podcast (Die Försterfamilie) für K., die die Geschichten über die Familie mit fünf Kindern liebt. Das ist unsere Hauptverbindung zueinander. (…) T. kommt gut mit der Situation zurecht. In F.s Unternehmen sind dauernd mal wieder Verdachtsfälle, die sich bis jetzt zum Glück nie bestätigt haben.

 

12.4. Ich fahre wieder Fahrrad, wandere bei uns in der Gegend viel, entdecke dabei auch neues und lese viel. Hoffen wir, dass wir langsam wieder normale Verhältnisse bekommen und dann hoffentlich vor der Weinwoche noch mal einen Schoppen trinken können.

 

13.4. A. dürfen wir nicht sehen, dafür wird beim Wandern auf der Alb der Mindestabstand ohne Probleme eingehalten.

 

14.4. Für uns waren es etwas traurige Ostern. Wir vermissen A. schon sehr, und die Aussicht, sie vielleicht erst im Herbst wieder sehen zu dürfen, ist nicht gerade erhebend. Außerdem hat die Corona-Krise finanziell bei uns kräftig rein gehauen. Alle meine Aufträge sind bis mindestens Ende September, wahrscheinlich aber das ganze Jahr über abgesagt. (…) Wir waren an Ostern natürlich trotzdem draußen im Garten und haben das schöne Wetter genossen. Es gibt ja schließlich noch viel zu tun auf unserem alten Hof.


17. bis 30. April

17.4. Heute habe ich das erste Mal mein Fahrrad wieder rausgeholt (nachdem es über ein Jahr lang stillstand), also bin ich nun startklar für kleine Touren. Erste Tour ging durch den Westpark zu Lidl, um eine Kletterpflanze für den Balkon zu holen. Fühle mich nicht mehr so gelähmt mit einem funktionierenden Fahrrad vor der Tür. Und es gab heute zum ersten Mal frischen Spargel vom hiesigen Wochenmarkt. Sonne gab's hier auch, das macht das eingeschränkte Leben während Corona etwas leichter. Ansonsten habe ich zurzeit wenig Energie und wenig positive Ressourcen zum Anzapfen, aber ich arbeite dran. Selbst Nähen ist ins Stocken geraten – also noch keine selbstgenähten Atemschutzmasken – ganz zu schweigen vom Schreiben.

 

17.4. An die Einschränkungen … habe ich mich gewöhnt, wie war es eigentlich vorher? Bin fast jeden Tag in F. und laufe durch die verblühenden Kirschblüten und jetzt blühenden Fliederbüsche. Es ist herrlich. Und fast vor der Haustür. (…) Wenn ich an meinen Bruder denke, der im Pflegeheim liegt und keinen Kontakt haben darf, geht’s mir naturgemäß nicht so gut. Immerhin können wir telefonieren. (…) Die Ruhe hier, abgesehen von den Baggerarbeiten seit drei Tagen vor meiner Haustür, ist ungewöhnlich und unterstützt den Faulenzer-Modus. Das kennt Ihr ja von der Rheinstraße.

 

18.4. Aus unserem Date am nächsten Samstag wird ja wohl eher nichts. Oder trefft ihr euch derzeit mit Leuten auf Abstand? Wir leben jedenfalls total isoliert und können uns ein gemeinsames Essen am Tisch nicht so recht vorstellen. Schrecklich.

 

18.4. Wir machen hier in M. unsere täglichen Wanderungen in die nähere Umgebung. (…) Meine G. steht wenige Monate vor der Altersteilzeitruhephase und ist zurzeit auch im Homeoffice. Wir kommen also außer beim Einkaufen mit selbst genähten Masken zurzeit nicht unter die Leute. Ich schreibe auch an meinen Projekten. (…) Dass du unsere Spiele der Eintracht nicht vermisst, kann ich gar nicht glauben/verstehen. (…) Inzwischen bin ich sogar für Geisterspiele, damit die Liga überhaupt überlebt. Ich würde es mir auch anschauen. (…) Unsere Abifeier im Juni wird zunächst abgesagt.

 

23.4. Ich streiche es. Corona hat gewonnen.

 

23.4. Zweimal in der Woche muss ich in dieser schweren Zeit das Leergut zum Altglas-Container bringen. Das ist anstrengend und geht an die Substanz. Wie schaut das bei Euch aus?

 

23.4. Interessant, was du da so wegpichelst.

 

24.4. Skat spielen wäre ja nicht das Problem. Wir könnten draußen auf der Terrasse sitzen. Der Tisch ist groß genug für den Abstand. Bloß mit der Übernachtung ginge nicht. Ich bin deshalb auch dafür, es zu streichen und einen neuen Termin zu machen. Bloß im Herbst wird es ja nicht anders aussehen. Also erst wieder im Frühjahr 2021?

 

25.4. Bis bald, auch, wenn es "irgendwann" sein wird.

 

26.4. Wir hatten heute wieder den üblichen Ausflugsverkehr auf den Straßen, fast so wie vor Corona.

 

26.4. C. muss mit ungutem Gefühl wieder arbeiten. Ihr Chef hält von den ganzen Verordnungen nicht viel und versucht, sämtliche Schlupflöcher auszunutzen. Wenn C. zuhause ist, kümmert sie sich ausgiebige um den Garten. Ich beschäftige mich mit Schach. Im Moment finden im Internet viele interessante Schachpartien mit Weltklassespielern statt. Ich spiele ebenfalls viel im Internet. (…) Was heißt bei dir viel Rotwein trinken? Ich habe gestern mit unserem Nachbarn über seinen Rotweinkonsum gesprochen. Dabei hat er mir gesagt, dass er täglich eine Flasche Rotwein trinkt. Für mich wäre das tödlich.

 

28.4. Bei uns ist heute der Lockdown auf Stufe 3 gelockert worden, vorher war es Stufe 4. Aber vieles ist noch nicht möglich. Cafés oder Gaststätten müssen geschlossen bleiben, nur Foodservice Outlets dürfen operieren, unter strengen Vorschriften. Deswegen nennen es einige „Stufe 4 mit KFC“. Aber wir halten durch. Unser Garten sieht viel größer aus als vorher, weil C. dem Efeu wie Tarzan mit der Machete zu Leibe gerückt ist. Er ist in seinem DIY-Element und hat keine Probleme mit dem Shutdown. (…) Der geplante Terrassenausbau kann allerdings nicht ausgeführt werden, weil Baumärkte nicht als „essentiell“ gelten. Ab morgen dürfen die Obstgeschäfte wenigstens wieder aufmachen.

 

29.4. In B. nix Neues. Alle gesund. Das Haus ist fertig gestrichen, der Garten und das sonstige Drumherum wird noch bearbeitet. Der Zaun muss noch gestrichen werden. Dann müssen die Tennisplätze öffnen, sonst wird’s langweilig.

 

30.4. Bei uns alles soweit im Grünen...die Natur scheint sich in keinster Weise von Corona beeindrucken zu lassen...Respekt!

Und noch für morgen: Heraus zum 1. Mai sagten sich die Pfingstrosen.

1. bis 8. Mai

1.5.  … es ist so ermüdend, was jetzt ständig gepostet wird. Am liebsten möchte man abschalten und nichts mehr lesen oder hören. Aber vielleicht war es nie so wichtig, in unserer gesellschaftlichen Situation hellwach zu sein und bereit, eigene Interessen an Menschlichkeit, Freiheit und Gerechtigkeit zu formulieren …

 

3.5. (…) Bis demnächst mal. Gerade wurde das Rheingau-Musik-Festival abgesagt. Aber ewig lassen wir uns nicht so einschränken, oder? Und dann steigt auch die Rheingau-Wanderung.

 

4.5. Hier grüßt M. Oder M. Oder G. Und Ostern 2020 ist schon längst wieder Vergangenheit. (…) Seither ist schon wieder eine Menge passiert. Nicht nur hinsichtlich der Seuche und der immer wieder neuen Erkenntnisse – und der damit nicht immer korrelierenden Debattenbeiträge. Noch immer bekomme ich dann und wann von dem einen oder anderen Kumpel irgendeine Verschwörungsscheiße geschickt. Ermüdend.

Habe doch schon genug damit zu tun, die seriösen Nachrichten zu Covid-19 etc. aufzusaugen.

Da bin ich kein bisschen müde. Im Gegenteil: Lebe da seit Wochen mein News-Junkietum aus. Und studiere dabei den Berufsstand, dem ich noch immer angehöre. Stelle in den Coronazeiten fest, dass dieser Berufsstand ganz auffällig entweder einen sehr guten Job macht oder einen hundsmiserablen. Bei den Hundsmiserablen gibt es nach meinem Eindruck gerne mal in Tateinheit den inflationären Gebrauch von Begriffen wie „spannend“ oder „gespalten“. Heute Morgen hörte ich, der diskutierte Immunitätsausweis spalte die Gesellschaft. Ich glaube, morgen ist es der Fußpilz, der die Gesellschaft spaltet. Aber vielleicht erklärt auch irgendwer, Fußpilz sei total spannend.

Cool ist bei alledem: Läbbe geht weida. Immer weida (…) bei mir u.a. (…) mitsamt latenter Kurzarbeit, mit anstehender Balkon-Frühlings-bepflanzung und mit anderen Formen der Beschwingung. Gefällt mir. Kein Koller, obwohl viele Preußen denken, in Bayern sei auf jeden Bewohner ein Polizist abgestellt, um die Ausgangssperre (die es hier gar nicht gibt) zu überwachen. (…)

 

5.5. Meine Beschäftigung mit Corona beschränkt sich auf die Tagesschau und regelmäßige Gespräche mit L., die in diesem Punkt stets auf dem Laufenden ist. Sie ist vor allem medizinisch interessiert. Ansonsten folge ich den Regeln und Ratschlägen, ohne mir groß Gedanken zu machen.

(…) Unsere Gesellschaft hat mit den Corona-Maßnahmen, ohne sich dessen vielleicht bewusst zu sein, einfach mal den Pausenknopf gedrückt. Klar, manche würden sagen, den Selbstzerstörungsknopf. Das ist Deutungssache.

 

5.5. Maibaum in Quarantäne (siehe Foto).

 

5.5. (…) Übrigens: Habe schon wieder einen neuen Job, nachdem der Weinkeller ja für immer zugemacht hat. Wurde von Frau T. auf dem Markt gefragt, ob ich an ihrem Blumenstand Mi und Sa mitarbeiten würde. Habe natürlich sofort Ja gesagt. Nach Weinkunde jetzt also Flora und Fauna. Macht Spaß. Kommt mal vorbei, zurzeit wegen Corona zwischen Marktkirche und dem roten Kita-Gebäude.

(…) PS: Was soll lockerer werden? Ab 18. Mai kann jedenfalls B. in einen Biergarten gehen.

 

8.5. Bei uns ist alles ok. M. ist im Homeoffice und ich bin Palliativ drei Tage in der Woche unterwegs. Wenn ich das nicht hätte, wäre ich vermutlich schon durchgedreht. Sport ist nicht und Literaturhaus ist auch nicht. Besonders das letzte macht mir großes Kopfzerbrechen. (…) Und da wir bei allen Lockerungen mit dem Abstand noch eine Weile leben müssen, fehlt gerade die Perspektive. (…)

Ansonsten lese ich dicke Bücher (Hilary Mantel) und mache viel am Haus. Die Garage ist nach einem halben Jahr Umbau endlich fertig und - für euch sehr interessant - das Gästezimmer unterm Dach. Und ich habe meinen Zigarrenkonsum stark reduziert. Zigarillos werden nicht mehr gekauft und ob ich die dicken nochmal anpacke, weiß ich noch nicht (…) Ansonsten bin ich der Einkäufer der Familie. M. möchte möglichst wenig raus und der Schwiegervater soll mit seinen 90 Jahren zuhause bleiben.

Mit dem Fußball das finde ich absurd. Ob ich nächste Woche die Geisterspiele schaue, habe ich noch nicht entschieden. Vermutlich, weil ich dann P. und W. mal wieder sehe...

 

8.5. Gut, von dir zu hören. Und dass du gesund und produktiv bist. Und, ja, die Corona-Umstände wirken sich auch bei mir eher positiv aufs Schreiben aus. Heißt, dass ich mein Projekt "hoffentsichtlich" immer besser in den Griff bekomme. Ich fühle mich dabei meist wie jemand, der in einer noch nie durchstiegenen Steilwand im ständigen Suchen nach neuem Halt zentimeterweise an Höhe gewinnt - ist ein gutes Gefühl.

Lesend bewege ich mich schon seit Wochen ähnlich langsam in einem für mich hoch interessanten Buch des Amerikaners Jim Holt (Why does the world exist?), in dem es aus philosophischer und astrophysikalischer Sicht um das ungelöste Mysterium geht: "Why is there something rather than nothing at all?". Wusste gar nicht, obwohl ich auf beiden Gebieten recht gut halbgebildet bin, dass diese Frage schon von Platon her bis in die Gegenwart hinein die großen Geister herausgefordert hat. Offensichtlich, weil eine Antwort darauf (jenseits einer religiösen) das menschliche Erkenntnisvermögen übersteigt. Wunderbar zu lesen, wie sich dieses Vermögen in Gestalt eben jener Geister gerade dennoch und deshalb daran immer wieder ausprobiert.

Vielleicht könnten wir ja mal bald bei geeignetem Wetter auf einem abstandstreuen Spaziergang (…) unseren Austausch fortsetzen; bin bereit. (Was den "Lockerungswettbewerb" betrifft, bin ich übrigens ganz bei dir.)

So und jetzt mach ich mir erstmal einen Tee und genieße dazu ein paar Stücke einer echten Edelschokolade ….

 

 

13. bis 18. Mai

13.5. (...) An die Mao-Bibel hatte ich nicht mehr gedacht. Aber heute wurde ich an meine Bewerbung als Erntehelfer im Bezirk Gera erinnert – war aber kein Höhepunkt im Leben gewesen. Es wird Zeit, daß wir nach Corona mal wieder ein Bier zusammen trinken.

 

15.5. Wir werden wohl demnächst unsere Feier im September absagen und auf 2021 verschieben. Gut die Hälfte der Gäste muss aus anderen Städten anreisen, und bisher ist völlig unklar, wie zukünftig Hotels und Gaststätten für Feste mit 60 bis 90 Personen zur Verfügung stehen. Na ja, auch dafür wird es eine Lösung geben.

 

15.5. ... vielleicht können wir ja auch irgendwann möwengleich abheben?

 

15.5.  (...) Die Verschiebung der Reisen führt zu hektischem Aktionismus in puncto Haus- und Außenputzarbeiten. Ätzende Zeit eben!

 

16.5. beaucoup de monde sur la plage...peut être trop?

 

16.5. (...) Ich verbringe meine Tage fast ganz im Garten. Zwischendurch schreibe ich ab und an mal was. Wenigstens diese Aufträge sind mir geblieben.

 

18.5. (...) Ja, wir erleben derzeit so etwas wie Normalität. (...) Bei aller Lobhudelei auf unsere Regierung, die Tourismusbranche liegt am Boden und die Gastronomie auch. Ob und wie sich die Wirtschaft erholt, steht in den Sternen. Da ich meine Tour Guiding Jobs erstmal los bin, habe ich Zeit, mich um meinen Rentenantrag zu kümmern. Man, ist das bürokratisch und deprimierend. (...) Ich fühle mich wie ein altes Eisen.